Inframince – ein Konzept, eine Fantasie, ein Ort der Kunst? Über die neueren Raumzeichnungen von Harriet Groß

Von Dr. Silke Feldhof

Die Idee von etwas kaum Wahrnehmbaren, das in jenen Räumen oder Zuständen eines Dazwischen nistet, die sich so schwer fassen lassen – diese Idee beschreibt der von Marcel Duchamp geprägte Begriff ‚inframince’ [1] Der Akt des Vergessens ist inframince, die Nach-Wärme eines Stuhls, von dem gerade eine Person aufgestanden ist, der Raum zwischen einer Recto- und einer Verso-Seite eines Blattes Papier. In einer 46 Punkte umfassenden Explikation zu dem Theorem inframince schrieb Duchamp unter anderem: „Le possible impliquant le devenir – le passage de l’un à l’ autre a lieu dans l’ infra mince.“, also: „The possible, implying the becoming – the passage from one to the other takes place in the infra-thin“, wie Paul Matisse ins Englische übersetzte. [2] inframince meint mithin einen Raum oder Zustand und ebenso deren mentale Abdrücke in der Imagination der Betrachter.

Damit benennt inframince eine Wahrnehmung, die über das visuelle Erfassen hinausgeht. Wir ergänzen das, was wir sehen, mit Wissen und Imagination. Damit stellen wir dem Gesehenen Bedeutung zur Seite – eine Bedeutung, die unsichtbar ist, nichtsdestotrotz präsent und aufs Engste mit dem Gegenstand der Betrachtung verknüpft.

Ein solches inframince spannt Harriet Groß in ihren Zeichnungen auf; sie spielen im schwer bestimmbaren Dazwischen von Bild und Raum, von Wirklichkeit und Fiktion, von Ratio und Emotio. Ihr künstlerisches Thema ist der ‚Raum’ in seinen unterschiedlichen Qualitäten und ihre Werke kann man vielleicht am besten mit dem weit gefassten Begriff von ‚Raumzeichnung’ beschreiben. Diese Raumzeichnungen realisiert sie in unterschiedlichen Materialien und einem breiten Formenrepertoire.

Zum einen sind dies Zeichnungen von Raumsituationen, die Harriet Groß in Papier oder Metallfolie schneidet. Die Bearbeitung des Materials und die Präsentation der Schnitte mit einem Abstand zur Wand transformieren das ursprünglich zweidimensionale Format Cut Out zu einem Objekt, das Raum einnimmt und definiert. Eindrücklich sichtbar wird dies am ‚Schattenraum’, der durch den Schattenwurf der Schnüre und Schnitte auf der Wand entsteht

Zum anderen finden wir in ihrem Werk Wandzeichnungen, die sie nach dem verwendeten Zeichenmaterial „Schnurzeichnungen“ nennt: oftmals wandfüllende und sich über Kanten und Ecken hinweg auf mehrere Wände erstreckende Zeichnungen aus schwarzen Schnüren, die sie zwischen kleinen Nägeln spannt. Diese geometrischen Liniengefüge erweitern den Raum, den sie auf der Wand einnehmen, um minimalistisch-konstruktive Räume. Diese gehen z.T. „in die Wand hinein“ [3], z.T. lösen sie sich von der Wand und entfalten sich in den Ausstellungsraum. In die Schnurzeichnungen integriert Harriet Groß ihre Schnitte, mitunter auch Drucke oder Fotos; sie fungieren dabei wie ein Gerüst für weitere Bedeutungsträger.

Daneben präsentiert Harriet Groß in jüngster Zeit vermehrt Installationen. Mit verschiedenen Materialien wie Glasobjekten („federn“), Sicherheitsgurten („zwischen Schwämmen und Steinen…“), Holzlatten und Gurten („Corium Poetry“) zeichnet sie in den Raum hinein. So funktionieren ihre Installationen wie Bilder. Indem sie zwischen Zwei- und Dreidimensionalität oszillieren forcieren sie das Eintauchen der Betrachter in Harriet Groß’ heterotope Bildräume.

 

Immersive Räume „zwischen Schwämmen und Steinen…“ 

Diese Bildräume bestechen durch ihre immersive [4] Wirkung. Das Lesen bestimmter Formationen wie z.B. einer Schlange wartender Menschen vor einem Gebäude oder auch individuelle Deutungen abstrahierter Formen evoziert neben Assoziationen bestimmte Emotionen. Dieses Pendeln zwischen gegenständlicher Distanz und visuellem Eintauchen, so Ralph Ubl, zwischen objektivem und subjektivem ‚Erkennen’, so möchte ich hinzufügen, realisiert Harriet Groß, indem sie ihre Zeichnungen im Ausstellungsraum „in eine Dimension motorisch-körperlicher Erfahrbarkeit“ überführt. [5]

Beispielhaft deutlich wird dies in der Installation „zwischen Schwämmen und Steinen…“, 2010.  Sicherheitsgurte hängen in Schlaufen von der Decke tief in den Raum; zwischen ihnen schweben, so der erste Eindruck, vier schwarze Metallschnitte. Drei der Cut Outs bilden die löchrige Struktur von Naturschwämmen nach, durch das Material allerdings sehen sie aus wie Lavagestein. Der vierte Schnitt zeigt die auffällig bestrumpften Beine einer auf einem Sofa liegenden Person, deren Kopf und Oberkörper vollständig verdeckt sind. Alle Elemente dieser Arbeit verbergen ebensoviel wie sie preisgeben. Das lässt die Betrachtenden unmittelbar näher heran und unversehens in die Installation eintreten, die einen Moment zuvor noch ein von außen betrachtetes Bild war. Besonders die Gurte, die als Fortführung der schwarzen Schnüre ihrer Wandzeichnungen gelesen werden können, verwickeln die Betrachtenden Schlingpflanzen gleich in die uneindeutige, ambivalente Bilderlandschaft der Installation. Die amorphen porösen Gebilde an den Wänden verbleiben irgendwo „zwischen Schwamm und Stein“; der Schnitt mit den Beinen mag ebenso sehr die Vorstellung einer ärmlichen Erschöpfung evozieren wie auch eine laszive Szene andeuten; die zweifarbigen Gurte schließlich muten an wie Filmstreifen mit Auslassungen und Leerstellen.

Diese ambivalente Dynamik kennzeichnet auch ihre Installation „federn“, 2010.7. Mit Schnur, mundgeblasenen Glasobjekten, Metall und Lack zeigt Harriet Groß in einer leisen, poetischen Formulierung das Spannungsverhältnis zweier widerstrebender Bewegungen: das Federn aufeinander zu und voneinander weg.

Ein schwarzer Eisenrahmen in Form eines verzogenen Trapez’, wie ein Sprungbrett in 2,50 m Höhe an der Wand montiert, trägt eine Platte, von der an Schnüren zehn verschiedene schwarze Glasobjekte hängen. Diesen ‚Tropfen’ korrespondieren siebzehn auf einer Bodenplatte stehende, schwarze Formen; Stalaktiten und Stalagmiten gleich. An der Wand greift eine Schnurzeichnung die Form des Eisenrahmens und der Bodenplatte auf und zieht drei horizontale Ebenen ein, die zwischen den hängenden und den stehenden Formen zu schweben scheinen. Diese ‚Zwischenebenen’ verleihen der Arbeit eine horizontale Bewegungsdynamik, die der immensen vertikalen Bewegung der scheinbar vor und zurück federnden Objekte entspricht. Allerdings: So unbeweglich die nach der Glasschmelze erkalteten ‚Tropfen’ so fest sind die nur gezeichneten Zwischenebenen auf der Wand fixiert; wir sitzen dem illusionistischen Effekt gut verknoteter Schnüre auf. Genau hier überschreitet das Sehen die Grenzen des Faktischen, öffnet sich der imaginäre Raum des Möglichen.

 

Formulierung einer Heterotopie: „Lichtung“ 

„Lichtungen sind Stellen im Wald, wo Sehen wieder möglich ist“, so Harriet Groß zum Titel ihrer Arbeit „Lichtung“ . Um überhaupt etwas sehen zu können muss der Betrachter zunächst auf Abstand gehen zu dieser komplexen, sich über mehrere Wände und ein Stück Decke erstreckende Schnurzeichnung, in die Harriet Groß acht Schnitte eingehängt hat. Sämtlich zeigt uns die Künstlerin hier mehrdeutige Raumsituationen zwischen illusionistischem Effekt und der reinen Flächigkeit dreier parallel verlaufender Linien: vielleicht Pfosten oder Türlaibung, vielleicht U-Balken oder Winkel. Sie oszillieren zwischen möglicherweise real und definitiv fiktiv, zwischen plausibel und höchst unwahrscheinlich. Darin rufen sie Lewis Carrolls „Alice in Wonderland“ auf; wie bei Carroll kann man sich im Lesen dieser Zeichnung leicht verlieren, wird jedoch immer wieder zurückgeholt von den Cut Outs, die Stoppern gleich den Fluss der Linien brechen. Wie Kapitel in einem Buch verfolgen die Schnitte ihre eigene Binnenerzählung; die Zeichnung bietet ihnen gleichsam das narrative Gerüst. Von links nach rechts gelesen finden sich die Cut Outs „Baumhaus“, „Vorstellung“, „Im Flug“, „Transfer“, „Verdichtung“, „am Weg“ und „o.T.“ (alle 2009).

„Baumhaus“ zeigt ein Beispiel des Berliner sozialen Wohnungsbaus aus den 1970er Jahren, den ‚Sozialpalast’ in der Schöneberger Pallasstraße. Gefährlich schräg aufgebockt und auf einer Seite überwuchert, erscheint das ehemalige Musterbeispiel modernen Wohnens, das in den 1990ern zu einem sozialen Brennpunkt verkam, wie ein düsteres und schwer zu erklimmendes Baumhaus. In den letzten Jahren haben soziale und künstlerische Maßnahmen einige positive Veränderungen herbeiführen können, nichtsdestotrotz kann der Wohnblock sehr schnell wieder zum Ghetto kippen.

Auf dem Schnitt „Transfer“ sieht man eine zwischen Mauern und hinter Absperrgittern gedrängte Menschenmenge vor einem kleinen Pavillon: Wartende an einem Grenzübergang in der Hoffnung, hinein zu kommen – oder heraus, je nach Perspektive. „Verdichtung“ zeigt einen Vorhang bzw. Mashrabiy [6], mithin das Sinnbild einer markierten Grenze zwischen zwei Räumen oder Sphären. Einerseits ein Sichtschutz ermöglichen Vorhang und Mashrabiy gleichwohl Blicke hindurch: Nah dran stehend kann man durchschauen ohne gesehen zu werden. Die Grenze ist hier eine einseitig durchlässige. Weitere Cut Outs wie z.B. „am Weg“ oder „o.T.“ zeigen ein undurchdringliches Geflecht von Pflanzen bzw. einen dichten Wurzelballen. Offensichtlich geht es bei der Arbeit „Lichtung“ um Räume, die definiert werden von Strukturen, seien es konstruktive geometrische, soziale, politische oder organische. Und es geht um Übergänge zwischen Zuständen und Terrains respektive um die Blockaden solcher Übergänge.

„Lichtung“ ist auch eine Reaktion auf die rigide Abkapselungspolitik der Festung Europa, mithin eine kritische Reflexion der gesellschaftlichen und politischen Besetzung von Räumen. Harriet Groß’ Arbeit positioniert sich im Diskurs um die Frage, wie sich ideologisch, ökonomisch, politisch, kulturell motivierte Inklusion/Exklusion in Räumen manifestiert. Ebenso sehr allerdings geht es darum, Raum zu öffnen – wie ihre Wandzeichnung es tut. Leichtigkeit und Poesie sind die inkludierenden Gesten, mit denen Harriet Groß auf einem nichtfestschreibenden Dazwischen besteht. Mit ihnen schafft sie einen, um mit Michel Foucault zu sprechen, ‚anderen Ort“ – mithin die Möglichkeit eines Aufenthaltes im inframince. 

 

„Corium Poetry“, oder: der Riss in der Ordnung der Dinge 

„Corium Poetry“ besteht aus zahlreichen zunächst heterogen scheinenden Elementen, die sich, vielfach mit einander verschränkt, zu einer dichten Rauminstallation fügen. Das Lesen erfolgt im Uhrzeigersinn. Formale Bezüge leiten den Blick von den Bodenplatten über die Parkettleisten und die zwischen den Schnüren wie schwebend eingewebten Cut Outs zu den gerollten Gurten. Die Zeichnung aus Platten, Leisten und Schnüren bindet alle Einzelteile in ein großes Narrativ ein, das vor allem vermittels der integrierten Objekte und ihrer Materialsprache funktioniert.

Wie in anderen Werken arbeitete Harriet Groß hier mit Bedeutungsträgern, i.e. mit Objekten, die einen bestimmten Gehalt transportieren. Dies sind z.B. die auf den Boden- platten liegenden von ihr  ’ Bohrkerne’ genannten Betonstücke, die zu der Zeit, als Harriet Groß im Atelierhaus am Käuzchensteig arbeitete, dort als Türstopper verwendet wurden und die sie als Denkmal und Stein des Anstoßes gleichermaßen einsetzt. Die Gurte der Installation sind erneut Sicherheitsgurte mit ihrer Konnotation vermeintlicher oder tatsächlicher Sicherheit. Latten und Schnüre verweisen auf die Vermessung der Welt und auf das geometrisch-konstruktive Gerüst, das wir uns zu ihrem Verständnis bauen. Mit diesem Gerüst strukturell verwoben sind zutiefst verunsichernde Schnitte und Brüche, wie wir sie in den beiden Cut Outs „Riss“ und „Schärfung“ thematisiert finden als Kluft oder Riss zwischen verschiedenen Ordnungen.

Der Titel trägt das Seine zum Narrativ bei. Neben anderen Bedeutungen bezeichnet der Begriff ‚Corium’ das geschmolzene Material, das in einem Kernreaktor bei einer Kernschmelze entsteht. Es ist eine lavaartige Mischung aus Kernbrennstoff, Steuerstäben und Werkstoffen der betroffenen Teile des Reaktors. Corium ist hochreaktiv und kaum kontrollierbar. Im Verlauf der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 kam es zu drei Kernschmelzen und in der Folge zur Bildung von Corium. Die Erschütterung über die Gefährdung unserer ‚sicheren’ Welt; über die Gefahren, die eine solche Hybris gegenüber der Schöpfung für die Bevölkerung nach sich zieht; über den Riss, der sich durch unser Weltbild zieht, seitdem es nicht mehr kontrollierbar und beherrschbar erscheint – diese Erschütterung dürfte die Titelfindung ebenso motiviert haben wie die ambivalente Faszination, die von der Potenz des Corium ausstrahlt: „ein plumper Brocken, der aber alles birgt in sich, der dauernd unkontrolliert weiter reagiert; Dieses Unförmige und dieses Zu-allem-Möglichen-wieder-ausbrechen-Könnende, das hat mich interessiert.“ [7]

Mit „Corium Poetry“ webt Harriet Groß ihre Gedanken und Kritik in eine lyrisch, assoziationsreich und subjektiv mit Versatzstücken von Objektivität spielende, poetische Form. Ihr Prozess des metaphorischen Durchwanderns heterotoper Räume ist dabei durch ihre besondere Sensibilität gegenüber Schwellen, Markierungen oder Grenzziehungen charakterisiert; Schwellen, die solche Räume überhaupt erst definieren.

 

Schwellen 

Es ist immer wieder das Dazwischen zwischen Realität und Fiktion, zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, zwischen dem Innen und dem Außen politischer, sozialer, kommunikativer, emotionaler Räume sowie zwischen Räumen und Zuständen, das Harriet Groß’ Arbeiten ausmacht. Ob wir es mit einem Begriff aus der Kunst inframince nennen, mit der Psychoanalyse von ‚Riss’ sprechen oder es uns als Schwelle und Übergang vorstellen, unterschiedlich durchgespielt findet sich dieser Topos in allen ihren Werken. Was sie dabei interessiert ist die Qualität der Schwelle sowie das Überschreiten resp. Innehalten vor einer Schwelle. Das Wandern zwischen den Welten und Horizonten, das Unterwegs-Sein, das sich in Form von z.B. Schuhen in vielen ihrer Schnitte findet, dient immer auch dazu, Schwellen in den Griff zu bekommen.

Während Harriet Groß in früheren Arbeiten Cut Outs wie ‚Blicksammlungen’ in Schnurzeichnungen setzte und ihre Wandzeichnungen damit als Erinnerungsräume, Gedanken- und Ideenräume definierte, so interessiert es sie heute zunehmend, direkt auf gesellschaftliche Ereignisse zu reagieren. So entstanden „Lichtung“ (2010) und „Corium Poetry“ (2011) in der Auseinandersetzung mit dem aktuellen Befund einer grundlegenden und weit reichenden Verunsicherung innerhalb der Gesellschaft. Mit Sicherheitsgurten, Sicherheitscodes (in „Restrisiko“) oder einem unentwirrbaren Knäuel   unter der Erdoberfläche (in „Innere Sicherheit“) erstellt Harriet Groß analytische und mitunter apokalyptische Bilder vom Zustand unseres Seins, unserer condition humaine. 

„Ich mache keine politische Kunst. Das ist einfach das, was mir durch den Kopf geht“ [8] kommentiert Harriet Groß ihre Arbeiten. Über die zweite Hälfte ihres Statements, ein typisch weibliches  Tiefstapeln, könnte ein eigener Diskurs entwickelt werden – hier allerdings geht es mir um den ersten Teil, um den Satz „Ich mache keine politische Kunst“. Ja, Harriet Groß macht nicht Kunst, um Politik zu betreiben – gleichzeitig aber ist sie ein politisch bewusster Mensch, dessen Kunst gerade, wenn es darum geht, zu untersuchen, in welchem Zustand sich eigentlich unsere Gesellschaft heute befindet, deutlich von diesem kritischen gesellschaftlichen Bewusstsein informiert ist und von daher sehr wohl politisch agiert. Als homo sociologicus führt Harriet Groß einen kritischen Diskurs über die Welt, in der wir leben, – in ihrer Sprache: der Kunst, in poetischen und mitunter auch idiosynkratischen Formulierungen. Für die Künstlerin sind Krisen und gesellschaftliche Umbruchsituationen immer auch Auslöser, Thema und Katalysator künstlerischer Reflexionen. Damit solche Reflexionen fruchtbar werden, muss sich die Kunst entfernen vom Anekdotischen, sie kann sich frei machen vom Aktivistischen. Das ist der Weg, den Harriet Groß für sich gewählt hat.

Mit ihren Raumzeichnungen geht sie ins inframince, in dieses so schwer zu fassende Zwischen. In Zwischenräume und –zustände, die durch soziale, ökonomische, persönliche, emotionale Schwellen oder auch Schwellen in der Kommunikation definiert werden. Dieses inframince eignet sich Harriet Groß in sehr produktiver Weise an, sie wandelt es zu einem Raum der Reflexion – und macht es für sich zu einem Ort der Kunst.

 

[1] Marcel Duchamp führte diese Fügung aus frz. infra = ‚unter, weniger als’ und mince = ‚dünn, fein, winzig, geringfügig, belanglos, unbedeutend’ 1945 ein, parallel verwendete er in englischen Texten den Begriff ‚infra-thin’, vgl. hierzu Succession Marcel Duchamp (Hrsg.), Marcel Duchamp. Notes. Avant-propos par Paul Matisse, préface par Pontus Hulten, Paris 1999 (Neuauflage des 1980 erstmalig vom Centre Georges Pompidou, Paris, herausgegebenen Bandes), sowie: Paul Matisse, Marcel Duchamp, Notes. Arranged and translated by Paul Matisse, Boston, 1983.

[2] Duchamp. Notes, Paris 1999, S. 21, Punkt 1; Duchamp. Notes, Boston 1983, S. 45.

[3] Harriet Groß im Interview mit der Autorin Juli 2011.

[4] Das konkrete leibliche oder das rein imaginative Eintreten in ein Medium bzw. der Übergang in den Raum des Bildes (= Immersion) ist möglich in Panoramen, in den vermeintlich flachen Bildern eines Filmes oder auch in rein imaginativen Räumlichkeiten literarischer Fiktionen.

[5] Ralph Ubl, „Sehschwellen. Zu den Arbeiten von Harriet Groß“, 2002.

[6] Fenstergitter, Sichtschutz, verbreitet im arabischen Raum.

[7] Harriet Groß in einem Interview mit der Autorin im Juli 2011.

[8] HG im Interview mit Autorin 7.7.2011.

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